In Europa herrscht Krieg. Hierzu erreichten mich einige Fragen von Pressevertretern. Meine Antworten möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:
1. Wann haben Sie vom Einmarsch erfahren und was ging in Ihnen in diesem Moment vor?
Ich verfolge täglich und stündlich dieses Thema und habe die Botschaft vom Rückzug für eine Finte gehalten. Deshalb war ich sehr aufmerksam. Vorgestern, am frühen Morgen, habe ich vom Einmarschmarschbefehl in den Donbass in den Medien erfahren. Mein erstes Gefühl war Ohnmacht. Die USA, die NATO und die EU haben seit Beginn der Zuspitzung des Konflikts sich auf wirtschaftliche Sanktionen festgelegt. Deutschland hat der Ukraine alte Helme zur Verfügung gestellt. Dies alles hat den Diktator Putin nicht abgeschreckt sondern ermutigt.
2. Was glauben Sie ist in den vergangenen Wochen und Monaten passiert, dass sich die Situation so zugespitzt hat? Hat die Diplomatie versagt?
Wie wir aus der Geschichte wissen, hat Diplomatie immer einen begrenzten Aktionsradius. Möglicherweise war es ein Fehler, nicht rechtzeitig eine klare Botschaft an Putin zu senden, die eine gewisse Abschreckung hätte erreichen können. Der Westen sollte aus der Annexion der Krim im Jahr 2014 gelernt haben.
3. Wie sollte die Nato auf die aktuellen Ereignisse reagieren?
Das ist eine schwierige Frage. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis und darf nur aktiv werden, wenn ein Mitgliedstaat militärisch angegriffen wird. Die Ukraine ist kein Mitgliedstaat. Wie man sieht, eine wichtige Frage für die weitere Zukunft. Vielleicht wäre es jetzt, nachdem Russland, will heißen Putin, als Aggressor in Erscheinung getreten ist, eine wirksame Reaktion der NATO, der Ukraine die Aufnahme in das Bündnis anzubieten. Es würde dann genau das geschehen, was Putin durch seinen Einmarsch verhindern will.
4. Was hat der Kreml Ihrer Meinung nach nun vor?
Der Kreml, also Putin, wird die beiden ostukrainischen Provinzen annektieren nach dem alten sowjetischen Strickmuster der Nachkriegszeit in Osteuropa: Man hat uns, Russland, zu Hilfe gerufen gegen den bösen Westen. Dafür wurden vorher “Aufständische” in Aktion versetzt, die von russischen Agitatoren angeführt werden. Der übrigen Ukraine und dem Westen wird durch diese Aktion gedroht für den Fall einer Verankerung der Ukraine in westlichen Strukturen, z. B. auch der EU.
5. Welche persönlichen und/oder politischen Beziehungen haben Sie in die Ukraine bzw. nach Russland? Sind sie mit Menschen dort in Kontakt und welche Rückmeldungen bekommen Sie von dort?
Ich habe Kontakt zu ukrainischen Diplomaten und einzelnen Privatpersonen. Aus meinen Kontakten erfahre ich stets von der Furcht einer Bevölkerung, die nicht erneut von einem despotischen System dominiert werden will. Das geht nur mit Demokratie und einer Annäherung an den Westen. Denken Sie an Leute wie die Klitschkos, die wir in Deutschland gut kennen. Der eine davon ist Oberbürgermeister von Kiew.
6. Und noch eine lokale Frage: Welche Auswirkungen sehen Sie durch den Konflikt konkret für die Menschen und die Wirtschaft im Schwalm-Eder-Kreis?
Es wird kaum spezielle Auswirkungen für die Menschen und die Wirtschaft im Schwalm-Eder-Kreis geben. Wir alle werden jedoch, schon jetzt absehbar, Folgen spüren. Die Energiekosten werden, nunmehr aus anderen Gründen, noch schneller steigen. Soeben schreibt der Chefredakteur einer großen deutschen Zeitung über ein Essen mit dem russischen Botschafter im Jahr 2011, als im Bundestag der Atomausstieg beschlossen wurde. Der Botschafter formulierte einen Toast und führte aus, dass dies ein guter Tag für die Energiepolitik Russlands sei. Damit hatte er natürlich recht. Gestern noch war Nordstream 2 ein “reines Wirtschaftsprojekt”, so der Bundeskanzler. Heute sieht alles ganz anders aus. Die deutschen Exporte werden natürlich ebenfalls leiden. Man wird Frieden nicht erhalten können, ohne Preise dafür zu zahlen. Kluge Politik braucht langen Atem und Weitsicht. Ich kann solche Tugenden seit vielen Jahren in Deutschland nicht erkennen.