Grundsteuer

Die Grundsteuer: Ein Thema, das in der öffentlichen Debatte unterdrückt wird. Dabei betrifft die Grundsteuer uns alle – egal ob Hauseigentümer oder Mieter. Beide müssen sie Monat für Monat zahlen. Sie ist 2018 für verfassungswidrig erklärt worden, weil seit 1964 im Westen und seit 1936 in den neuen Ländern die Grundstückswerte, an die sie anknüpft, nicht mehr erhoben worden sind. Grund genug für eine echte Gemeindesteuerreform. Was machte der Finanzminister Scholz? Den Versuch der Reparatur einer Steuer, die auf den Müllhaufen gehört.

Auch diese Reparatur müsste, wenn das Verfassungsgericht konsequent wäre, erneut für verfassungswidrig erklärt werden. Warum das so ist, will ich versuchen, kurz zu erklären:

Die Grundsteuer ist die älteste Steuer, die wir in unserem Kulturraum kennen. Sie gab es schon im Altertum und war die Haupteinnahmequelle der Staatsfinanzierung. Sie wurde stets als Ertragssteuer verstanden, die aus dem landwirtschaftlichen Besitz zu zahlen war. Da man das, was wir seit dem 19. Jahrhundert Gewinn nennen und durch Buchhaltung ermitteln, nicht genau kannte und schon gar nicht genau feststellen konnte, wurde an die Größe und die Ertragskraft des Bodens angeknüpft und daraus die Steuer errechnet. Für überwiegend landwirtschaftlich geprägte Wirtschaftssysteme und Gesellschaften eine naheliegende Lösung.

Seit der Industriellen Revolution, die nunmehr auf die im Spätmittelalter erfundene Buchhaltung zurückgreifen konnte, konnte man nun für Handel, Produktion und persönliche Einkommen Ertragssteuersysteme erfinden, die bis heute das Herz der Steuersysteme der entwickelten Länder bilden und die Hauptlast der Staatsfinanzierung übernommen haben. Auch Einkünfte und Gewinne aus Grundeigentum und Gebäuden wurden Teil der steuerpflichtigen Einkommen.

Seither führt die Grundsteuer, deren Belastung kurioserweise als „Betriebskosten“ vom Vermieter an die Mieter weitergereicht werden kann, ein Schattendasein. Sie hat in Deutschland nur überlebt, weil sie vergleichsweise niedrig ist, ausschließlich den Gemeinden zugeordnet worden ist und der Staat bekanntlich keine Bereitschaft kennt, eine jemals erhobene Steuer irgendwann einmal wieder abzuschaffen, selbst wenn die Verhältnisse sich völlig verändert haben. Deshalb haben wir auch 38 Steuerarten in Deutschland. Rationale Politik geht anders!

Das Grundsteuerreformgesetz, das 2019 von Scholz im Bundestag eingebracht wurde, hält an dieser Steuer fest, schreibt aktualisierte Boden- und Gebäudewerte vor und deren laufende Aktualisierung mit der Folge ständig automatisch steigender Steuerbelastungen. Obwohl die Bemessungsgrundlagen, wie bisher, die Boden- und Gebäudewerte sind, wird in der Begründung zum Gesetz davon gesprochen, diese Steuer sei eine „Sollertragssteuer“. Dies geschieht offensichtlich deshalb, weil man aus Immobilienwerten keine Erträge ableiten kann und alle realen Immobilienerträge bereits von der Einkommenssteuer abgeschöpft werden.

Wenn aber alle realen Immobilienerträge bereits von einer anderen Steuer abgeschöpft werden, dann ist kein Raum für eine zweite Besteuerung derselben Erträge. Und „Sollerträge“, also virtuelle Erträge, gibt es eben nicht. Sie sind das Fantasieprodukt des einnahmehungrigen Fiskus. Zwei Gründe also, wieso das ganze Unterfangen als verfassungswidrig eingestuft werden muss, sofern es bei der Justiz mit rechten Dingen zugeht. Es kommt hinzu, dass nunmehr periodisch 35 Millionen Grundstücke bewertet werden müssen, um auf diese verwaltungsaufwändige Weise gerade einmal 14 Mrd. Steueraufkommen zu erzielen, weniger als 2 % des gesamtstaatlichen Aufkommens und nur 14 % aller gemeindlichen Steuereinnahmen.

Wenn die Grundsteuer also in Wahrheit keine Ertragsteuer ist, kann sie nur eine Vermögenssteuer sein. Deren Erhebung ist jedoch seit 90er Jahren beendet worden und natürlich könnte man keine Vermögenssteuer nur auf Grundvermögen erheben, wenn man nicht unmittelbar gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes verstoßen will. Zwei weitere Gründe, weshalb diese Steuerreparatur von Scholz und der alten Koalition als verfassungswidrig eingestuft werden muss.

Da dies alles kurz vor dem Gesetzesbeschluss im Bundestag wohl auch der CDU/CSU dämmerte, hat sie durchgesetzt, dass eine Öffnungsklausel in die Verfassung eingefügt wurde, welche den Bundesländern Spielraum einräumt, eigene Grundsteuerkonzepte zu entwickeln. Eine faule Lösung von denkfaulen Politikern. Denn die hier aufgezeigten Probleme der Bundesgrundsteuer tauchen bei Landeslösungen ebenfalls auf. Trotzdem basteln Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen u. a. an eigenen Lösungen herum. Das Gute im Schlechten werden sie jedoch nicht hinbekommen. Immerhin kann man die Bewertungsverfahren radikal vereinfachen und damit ein Teilproblem der Misere mildern.

Mehrere Landtagsfraktionen haben mich als Sachverständigen für Anhörungsverfahren benannt. Ich bemühe mich darum, dort jeweils für die hier dargestellte Sicht zu werben. Es bleibt jedoch die Tatsache, dass die Länder in der Falle sitzen, da der Bund den Fortbestand einer Grundsteuer festgelegt hat. Zudem müssten bei Wegfall der Grundsteuer andere Finanzierungsquellen für die Kommunen geschaffen werden, um die derzeit 14 Mrd. in etwa zu kompensieren.

Hier geht’s zu meiner gesamten, 23-seitigen Stellungnahme für das Anhörverfahren des Haushalts- und Finanzausschusses des Landtags Rheinland-Pfalz (Hinweis: Neben RLP werden in Teilen auch weitere Bundesländer mit einzelnen Bemerkungen gesondert angesprochen):
https://www.albrecht-glaser.de/wp-content/uploads/2022/02/Stellungnahme-Albrecht-Glaser-Anhoerverfahren-am-3-2-2022.pdf

Hier geht’s zur Kurzfassung:
https://www.albrecht-glaser.de/wp-content/uploads/2022/02/Grundsteuer-Kurzfassung-Redeskript-FIN.pdf